
Verbesserungs- vorschläge prämieren?
Beschäftigen sich Unternehmen mit KVP ist häufig eine der ersten getroffenen Maßnahmen die Einführung eins betrieblichen Vorschlagswesens (BVW). Als naheliegende Ausprägung eines gewünschten Verbesserungsprozesses ist per se dagegen auch nichts einzuwenden, die Unterschiede zwischen der „kleinen“ Lösung und der großen KVP Inititaive liegen offen auf der Hand. Beim Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) ist die Ideenfindung relativ stark strukturiert: Die Mitarbeiter arbeiten in Teams, die durch eine Teamleitung moderiert werden. Die einzelnen Schritte und Abläufe folgen einem bestimmten Muster (PDCA). Das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) dagegen zeichnet sich durch spontane Ideenfindung aus. Ein klassisches Beispiel, daß i.d.R. auch immer als eine der ersten Maßnahmen umgesetzt wird, ist der Ideenbriefkasten, in den Mitarbeiter jederzeit Verbesserungsvorschläge zu jeglichen Aspekten des Unternehmens einwerfen können. Typischerweise werden gute Vorschläge mit Sach- oder Geldprämien belohnt. Und genau hier scheiden sich auch schon die Geister:
Prämierung, ja oder nein?
Oft wird uns die Frage gestellt, ob im Rahmen des BVW die Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern in irgendeiner Form überhaupt prämiert werden sollen? Und wenn ja, wie hoch soll eine Prämie ausfallen? Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es sicher nicht und die offen zutage tretenden Meinungen decken hier das gesammte Spektrum ab. Es finden sich in der Praxis zahlreiche Verfahrensweisen, von überpositiven Standpunkten, bei denen jeder ernstgemeinte Vorschlag, wenn auch nur symbolisch, bereits direkt prämiert oder zumindest am Jahresende im Losverfahren berücksichtigt wird, bis hin zu einer strikten Verweigerungshaltung, bei der Unternehmen eine Belohnung gänzlich verweigern mit dem Hinweis, die Mitarbeiter würden ja bereits für das Mitdenken ordentlich bezahlt. Hier muss jeder Unternehmer und jede Betriebsführung ihren eigenen Standpunkt finden und mit deutlichen Argumenten festigen. Viel entscheidender für die Beantwortung der oben gestellten Frage ist jedoch ein anderer wichtiger Aspekt: wie sehr steht die Führungsebene hinter dieser Maßnahme und wieviel Potential wird den Ideen der Mitarbeiter zugetraut? Dafür gilt es die Vor- und Nachteile eines BVW abzuwägen:
Vorteile des BVW:
- Motivation der Mitarbeiter, diese können mit Ihren Ideen aktiv Veränderungsprozesse im Unternehmen anregen und ihren eigenen Arbeitsplatz mitgestalten.
- Nutzung wichtiger Ressourcen der Mitarbeiter bei geringen Kosten, diese sind die absoluten Fachleute in ihrem Arbeitsbereich und kennen die Probleme genau.
- Kreatives Potential aller Mitarbeiter wird genutzt und nicht nur die dafür eingesetzten Entwicklerteams.
- Methoden und Maßnahmen zum BVW (zum Beispiel ein Wettbewerb) sind firmenintern sehr einfach und ohne großen Aufwand bekannt zu machen, häufig genügt eine Email an alle Mitarbeiter.
- Wenn Gruppen über ihre Ideen diskutieren und gemeinsam Lösungen erarbeiten, wird der Zusammenhalt im Unternehmen gefördert.
- Die Bindung und Treue ans Unternehmen wird gestärkt. Denn durch betriebliches Vorschlagswesen bekommen Angestellte das Gefühl, direkt zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Zudem fühlen sie, dass sie ein wichtiger Teil eines großen Ganzen sind.
Nachteile des BVW:
- Mitarbeiter sind vorgeprägt von den bisherigen Abläufen und Vorstellungen eines Unternehmens, betreibsblind. Wirklich kreativ und innovativ zu denken, ist für sie viel schwieriger als für Außenstehende.
- Beim Betrieblichen Vorschlagswesen bringen weniger Menschen ihre Ideen ein als bei offenen und geführten Innovationsinitiativen.
- Externe Perspektiven, wie etwa die Sichtweise der Kunden, können durch BVW nur indirekt berücksichtigt werden.
- Da sicher nicht alle Ideen wirklich umgesetzt werden können, kommt es zwangsläufig zu Enttäuschungen.
- Ein funktionaler Bewertungs- und Umsetzungsprozess muss etabliert und auch fehlerfrei durchgeführt werden.
Entscheidet man sich ob der Vor- und Nachteile eines BVW für dessen Einführung im Unternehmen, muss man ehrlicherweise auch die Frage stellen, ob die Aussicht auf eine Prämie die Beteiligung der Mitarbeiter am Vorschlagswesen erhöht oder ob die Verweigerung der Prämie das Vorschlagswesen nicht schon im Keim erstickt? Nicht zu vergessen gibt es rechtlich gesehen unter bestimmten Bedingungen sogar einen Anspruch auf eine Prämie, wenn der Vorschlag auch tatsächlich umgesetzt wird. Aus der Praxis lässt sich berichten, daß bei allen gut funktionierenden betrieblichen Vorschlagswesen auch eine differenzierte Prämienregelung im Hintergrund besteht. Man darf sich der herrschenden Meinung nicht verschließen, Geld sei einer der schlechtesten Motivationsfaktoren überhaupt. Allerdings gebe ich immer gerne zu bedenken, daß durchschnittlich über 75% aller Verbesserungsvorschläge aus der Produktion kommen. Lässt sich also bei einem Entwicklungsingenieur noch darüber streiten, ob Verbesserung nicht zu seiner Stellenbeschreibung dazugehört, so ist in einem viel niedrigeren Lohnbereich auch schon eine kleine finazielle zuwendung seitens des Arbeitgebers, eine große und spürbare Geste. Viel wichtiger jedoch als die Prämiendiskussion ist die Etablierung eines gut durchdachten Ablaufs und Bewertungsprozesses; hier können kapitale Fehler gemacht werden, die sämtliche Bemühungen zum Scheitern verurteilen.
Ablauf und Bewertungsprozess
Den verantwortlichen Führungskräften muss von Anfang an klar sein, daß der Bereich des betrieblichen Vorschlagswesens ebenfalls ein ernormes Potential in sich birgt um unverzeiliche Fehler zu begehen und somit die Motivation der Mitarbeiter gänzlich zunichte zu machen. Nichts ist frustrierender und enttäuschender, wenn die eigenen Ideen und Verbesserungsbemühungen nicht anerkannt werden, durch fadenscheinige Erklärungen abgelehnt werden oder ewig in Bewertungsdiskussionen ohne Entscheidung verharren. Hier gilt es sofort einen Prozess festzulegen, der mäglichst folgenden Grundsätzen entspricht:
Grundsätze des Bewertungsprozesses:
- Einfacher Zugang für alle Mitarbeiter
- Schnelle Bearbeitung und offene Kommunikatioen
- Faire Bewertung der eingereichten Ideen
- Transparente Prämienregelung
- Anerkennung und Honorierung auch über die finanzielle Zuwendung hinaus
- Etablierung einer wohlwollenden Verbesserungskultur
Wird ein „Verbesserungsvorschlagswesen“ unter Einhaltung der o.g. Kriterien durchgeführt, so kann dies dauerhaft und nachhaltig zu großen Erfolgen führen. Die Mitarbeiter dürfen selbstverständlich nicht unter Druck gesetzt werden oder für schlechte Vorschläge gemaßregelt oder kritisiert werden. Nur so lässt sich eine hohe Beteiligung und Motivation einer breiten Schicht der Mitarbeiter dauerhaft sicherstellen. Allerdings zeichnet die Situation in der Praxis oftmals ein ganz anderes Bild auf! Häufig fehlt es schon von Beginn an an festgelegten Bewertungsprozessen, es sind keine Zuständigkeiten festgelegt, eine offene Kommunikation findet nicht statt. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine bahnbrechende Idee und wollen „ihr“ Unternehmen damit weit nach vorne bringen, reichen voller Vorfreude Ihren Verbesserungsvorschlag ein und warten nun ab, was passiert. Lange Zeit erst einmal überhaupt nichts! Niemand weiß bescheid, niemand ist zuständig, der Meister kritisiert sogar offen Ihren Vorschlag. Auf wiederholtes Nachfragen erhalten Sie dann eine Ablehnung mit einer Begründung, die weder Sie noch Ihre Kollegen nachvollziehen können. Dank oder gar eine Prämie erhalten Sie nicht, dafür wird „Ihre“ Idee wenige Monate später durch das Unternehmen „von oben“ eingeführt. Diese Abläufe garantieren, daß mit absoluter Sicherheit keiner der Mitarbeiter im Unternehmen sich mehr Gedanken zu irgendwelchen Verbesserungen machen wird!
Fazit
Die Ideen der Mitarbeiter sind eine wertvolle Ressource, die es nicht zu verschwenden gilt! In jedem anderen Bereich machen wir uns Gedanken über Verschwendung, ob Wege zu weit sind oder zu oft gegangen werden, ob Materialüberschuss herrscht, ob Suchzeiten zu lang sind oder ob alle Arbeitsplätze aufgeräumt und nach 5S Kriterien aufgestellt sind. Ein immer wichtiger werdender Bereich der humanen Ressourcen fristet dabei in vielen Unternehmen leider immer noch ein stiefmütterliches Dasein im Abseitz. Eine bessere, loyalere und kostengünstigere Konglomeration von geballter Fachkompetenz als das eigene hochspezialisierte Team aus eben jener Abteilung ist kaum zu finden und wenn doch, ist dieses externe Fachwissen teuer einzukaufen. Wollen wir ein funktionierendes Vorschlagswesen, so wird man unmöglich an einem funktionierenden Bewertungsprozess sicher aber auch nicht an einem angemessenen Prämienmodell vorbei kommen. Viele Unternehmen halten die Zahlung von Prämien für Verbesserungsvorschläge für falsch. Um eine Verbesserungskultur zu etablieren ist es wichtig, das Einbringen von Vorschlägen zur Selbstverständlichkeit, zur Verbesserungskultur zu machen und daher nicht zu prämieren. Betrachtet man allerdings von wo die meisten Vorschläge kommen, so wird man dem einfachen Werker in der Produktion eine angemessene Belohnung kaum verweigern können. Dabei ist festzuhalten, dass die Anerkennung und Wertschätzung der Leistung oftmals sogar wichtiger ist als materielle Belohnungen.
Argumente für eine Prämienregelung:
- Motivation der Mitarbeiter
- Faire Behandlung der Mitarbeiter
- Mitarbeiter machen sich auch Gedanken über Probleme, die nicht zu Ihren Kernaufgaben gehören
- Ausdruck der Wertschätzung des Unternehmens
- Beteiligung an der Einsparung
Argumente gegen eine Prämienregelung:
- Steht der Etablierung einer Verbesserungskultur entgegen
- Wird von Mitarbeitern erwartet, ist Bestandteil von Stellenbeschreibung und Arbeitsvertrag
Ausgestaltung der Prämienregelung:
- Geldleistungen je nach Verbesserungsvorschlag
- Gutscheine (Tankstelle, Amazon, Restaurant,…)
- Losverfahren und/oder Tombola am Jahresende
- keine Prämie, dafür werden aber alle Vorschläge sofort umgesetzt und geprüft
- Beteiligung an der Einsparung
Ablauf und Bewertungsprozess:
- Ideenbriefkasten, Intranet, Software, Tools zum Ideenmanagement,…
- Festes Bewertungsgremium
- Bewertungsgremium je nach Fachbereich
- Bewertung nach Kriterien, wie z. B. die Kreativität der Idee, der Umsetzungsgrad des Vorschlags und die Nähe zum Aufgabengebiet des Einreichers
Wie ist Ihre Meinung zum betrieblichen Vorschlagswesen? Haben Sie andere Erfahrungen, Anregungen, Kommentare? Schreiben Sie uns, gerne erweitern wir diesen Beitrag durch Ihre Beispiele.
In unseren praxisorientierten Schulungen behandeln wir u.a. dieses und viele weitere hilfreiche Themen anhand ihrer eigenen Beispiele. Ausführliche Schulungsinhalte zu den einzelnen Themenschwerpunkten und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf der jeweiligen Seite.