KVP vs. Six Sigma


Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) in Unternehmen tritt mehrheitlich in den Hintergrund, sobald hochqualifizierte Spezialisten dem Unternehmen, häufig Six Sigma Green Belts oder Six Sigma Black Belts, zur Verfügung stehen. Finden diese Firmen sich in der Situation wieder, Lösungsansätze für ein akutes Problem zu bestimmen, so wird häufig unabhängig von der Komplexität des Problems Six Sigma eingesetzt. Schließlich befinden sich ja teuer ausgebildete Spezialisten in den eigenen Reihen, die einem neuen Six Sigma Projekt nicht ablehnend gegenüber stehen. In den meisten Fällen führen diese Bemühungen zu guten Resultaten, aber häufig mit einem enormen Aufwand in der Projektumsetzung. Bei einer genauen Analyse dieser Projekte zeigt sich häufig, dass der Aufwand für die Umsetzung der Verbesserung als Six Sigma Projekt nicht gerechtfertigt war. Sondern, dass vergleichbare Ergebnisse auch über den Einsatz einfacher KVP Methoden erzielt worden wären. Beispielsweise über einen strukturieren Problemlösungsprozess.

Doch worauf beruht diese Fehleinschätzung? Maßgeblich ist, dass Six Sigma als Managementmethode isoliert betrachtet wird und die bei Six Sigma angewendeten Problemlösungsmethoden ihre Grundlagen im KVP (kontinuierlichen Verbesserungsprozess) haben. Der Hauptunterschied von Six Sigma zu anderen Methoden der Ursachenanalyse und Problemlösung wie sie z.B. im Qualitätsmanagement, im Lean-Management oder dem bereits erwähnten KVP angewendet werden, liegt in der Fokussierung auf die Messbarkeit und der Verwendung stark statistisch geprägter Methoden.

Diese statistischen Methoden finden sich so auch in keiner der anderen Disziplinen wieder und stellen die eigentliche Triebfeder von Six Sigma zur Lösung von hochkomplexen Problemstellungen dar. Statistik benötigt eine Fülle von Prozessdaten; nur wenn diese auch vorliegen oder der Aufwand um diese zu ermitteln einkalkuliert wird und auch notwendig ist, kann Six Sigma seine eigentliche Kraft entfalten. KVP hingegen setzt meist einen bereits erahnten Lösungsansatz voraus und versucht diesen induktiv zur Problemlösung heranzuziehen.

Trotzdem kann man die Sachlage nicht zur einfachen Behauptung verallgemeinern, Six Sigma sei lediglich die Erweiterung des KVP mit ein paar zusätzlichen statistischen Methoden. Dafür sind die Unterschiede in den Einsatzgebieten und der Komplexität der Problemstellung doch zu groß. In der folgenden Tabelle wird auf verschiedene Faktoren, wie z.B. Lösungsansätze, Werkzeuge und organisatorischen Rahmen eingegangen:

KVPSix Sigma
KVP ist stark durch das asiatische KAIZEN geprägt (jp. „Wandel zum Besseren„) und versucht über die Summe vieler kleinerer und mittelgroßer Aktionen in Form von Teamsitzungen, Workshops oder Klein-Projekten nachhaltige Verbesserungen im Unternehmen zu schaffen.Six Sigma wurde in seiner heuteign Form in Vereinigten Staaten entwickelt und ist dadurch deutlich westlich geprägt. Es wurde entwickelt, um bei Verbesserungsprojekten von Prozessen mit hoher Komplexität und enormen Verbesserungspotenzialen eingesetzt zu werden.
Bei KVP steht eine kontinuierliche Verbesserung in allen Prozessen im Vordergrund und kleine und mittlere Kosteneinsparungen sind zu realisieren.Six Sigma legt den Schwerpunkt erhebliche Verbesserungen und damit auf deutliche Kosteneinsparungen im betrachteten Prozess.
KVP entwickelt sich überwiegend bottom-up, alle Mitarbeiter sind „KVP Champions“ und bringen Ihre Kompetenzen ein.Six Sigma wird überwiegend top-down eingesetzt und von wenigen Six Sigma Champions aus der Geschäftsführung vorangetrieben.
KVP folgt dem universellen PDCA-Zyklus.Six Sigma befolgt streng die Phasen des langläufigen DMAIC-Kreislaufs.
In der Praxis kann KVP durch Einzelne vorangetrieben werden, seine Stärken liegen aber in der Einbeziehung von ganzen Verbesserungsteams, die in Teamsitzungen, oder moderierten Workshops die Verbesserungen vorantreiben. Gut ausgebildete KVP Moderatoren und mindestens ein KVP Koordinator steigern deutlich die Effizienz und den Einsatz der KVP Methoden und sorgen für einen Wissenstransfer von Methoden und Lösungssystematiken auf die Mitarbeiter.  Six Sigma wird meistens als mittleres bis großes Projekt, mit einer entsprechenden Projektstruktur und Projektarbeitsweise aufgesetzt. Im Projektteam befinden sich neben den für die Verbesserung des Prozesses notwendigen Prozessexperten ein Six Sigma Methodenexperte (GB / BB). Der Methodenexperte hat im Projekt üblicherweise zwei Rollen. Einerseits liefert er das Know How zu Six Sigma, und den notwendigen statistischen Datenanalysen. Auf der anderen Seite ist er für die Leitung des Projektes verantwortlich.Die Arbeit mit Six Sigma basiert stark auf Team- und Projektarbeit, wird dabei jedoch von wenigen hochqualifizierten Methodenspezialisten getragen. Deren Beiträge von Datenerfassung und Auswertung von Statistiken sind überwiegend einzelorientiert.
KVP bedient sich eines differenzierten Methodenbaukastens aus verschiedenen Bereichen; die Verantwortlichen der jeweiligen Verbesserungsprojekte bedürfen einer fundierten Ausbildung mit Schwerpunkt KVP Core Tools. Methoden zur Ursachenanalyse und Problemlösung stehen im Vordergrund.Six Sigma bedient sich ebenfalls dieses Methodenbaukastens (mit überwiegend denselben Methoden wie KVP!) und die Six Sigma Experten der jeweiligen Verbesserungsprojekte bedürfen einer hochqualifizierten Ausbildung mit zusätzlichen Schwerpunkten in Statistik und Datenanalyse. Nur Six Sigma Projekte verwenden die schließende Statistik.
Beim KVP steht die Organisationsstruktur nicht so sehr im Fokus, da alle Mitarbeiter eingebunden sind und die Zielsetzung und die Arbeitsweisen sich durch die bottom-up Mentalität sehr unterscheiden. Auch die oft geringe Projektdauer und der vereinfachte Ablauf erfordern keine starren Strukturen für den Projekterfolg. Jedoch ist es auch beim KVP zwingend notwendig, dass die oberste Leitung des Unternehmens diesen Prozess einfordert und nachhält.
Aufgrund der hohen Komplexität von Six Sigma Projekten ist ein hohes Maß an Struktur und Organisation nötig. Insbesondere die Arbeits- und Kompetenzaufteilung der verschiedenen Ausbildungsstufen (belts) in der Six Sigma Hierarchie ist zu beachten, aber auch die gewissenhafte Durchführung der Projektprüfung, um einen erfolgreichen Projektverlauf zu sichern.

Bei einer genauen Analyse von durchgeführten Verbesserungsprojekten können 9 von 10 umgesetzten Projekten fachlich dem Kernbereich des KVP zugeordnet werden. Somit können ca. 90% aller im Unternehmen durchzuführenden Verbesserungen durch die strikte Befolgung des PDCA Zyklus mit der Anwendung von einfachen KVP Methoden zum Erfolg und damit zur Verbesserung führen. Sämtliche logischen Gedankenschritte bietet der PDCA Zyklus bereits und muss in dieser deutlichen Mehrheit der Fälle nicht zum DMAIC Kreislauf erweitert werden. Lediglich die verbleibenden ca. 10% der Problemstellungen müssen tatsächlich mit statistischen Mitteln analysiert und bewertet werden. Doch ist diese recht hohe Zahl als realistisch anzunehmen? Das ist sie in der Tat, erweitert man das Spektrum der Aufgabenstellungen und entfernt sich gedanklich von den ausschließlich akut auftretenden Problemfällen. Der Trichter „verbessernde Managementmethoden“ verarbeitet nämlich weit mehr Eingebungen als offensichtlich erscheint.

KVP vs. Six Sigma 3

Um effektiv Six Sigma durchführen zu können und die „richtigen“ Projekte für Six Sigma auszuwählen muss man sich die Frage stellen: „Woran erkennt man dann eigentlich ein wahres Six Sigma Projekt?“ Hierfür kommen zwei offensichtliche Hauptkriterien in Frage, die Komplexität der Problemstellung und die Notwendigkeit diese Problemstellung mithilfe von statistischen Methoden untersuchen zu müssen. Weiterhin ist es für Six Sigma Projekte zwingend notwendig, dass entsprechende Messdaten vorhanden sind, bzw. erfasst werden können. Gelingt eine Auseinandersetzung mit Problemlösungsmethoden aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge nicht und lassen sich keine Fehlerursachen auf diesem Wege ermitteln, so bleibt der Weg zu Six Sigma stets gewahrt. Auch der Abbruch eines begonnenen Six Sigma Projektes sollte durchaus in Betracht gezogen werden. Stellt sich beim Abarbeiten der Aufgaben heraus, eine mögliche Lösung ist auf einfacherem Weg zu erreichen, ist es durchaus legitim, den veranschlagten Weg abzukürzen und in den PDCA zu wechseln. Die Zusammenhänge könnten wie im folgenden Schaubild beschrieben werden.

KVP vs. Six Sigma 4

Fazit

Mit dieser Betrachtungsweise lässt sich festhalten, dass sowohl KVP als auch Six Sigma ihre Berechtigung haben. Gute Unternehmen schaffen es schon heute Vor- und Nachteile von KVP und Six Sigma harmonisch miteinander zu verbinden und diese nicht in Konkurrenz zueinander zu stellen. Hat man im Unternehmen eine kompetente Führungskraft in diesem Bereich, die jeweilige Arbeitsbereiche für Six Sigma und KVP Experten richtig zuweist, lässt sich ein hohes Verbesserungspotential durch beide Strategien verwirklichen. Man kann also sagen, dass wenn Six Sigma im Kontext anderer Managementmethoden, wie hier KVP, richtig angewandt wird, dieses zu weiteren großartigen Erfolgen führen kann. Ein Einstieg in Verbesserungssysteme ist jedoch einfacher und zielführender über die vielfältigen und auch alleinstehend tragbaren Methoden des KVP zu realisieren.

 

Somit ist aus der Überschrift dieses Beitrags „KVP vs. Six Sigma“ das gegeneinanderstellende „versus“ in ein differenziert kooperierendes „KVP mit Six Sigma“ umzudeuten.

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